(Nachfrageüberhang bzw. Angebotslücke)
In Anlehnung an: Hans Christian Weis: Marketing, Ludwigshafen, 2004, 13. Auflage, S. 18.
Märkte in Europa waren vor der industriellen Revolution mehrheitlich lokal organisiert. Es wurde meist nur das produziert, was in der Regel auf lokaler Ebene (z. B. innerhalb einer Stadt) verbraucht werden konnte. Durch enge lokale Bindungen bestand ein enger Kontakt zwischen Produzenten (meist Handwerker) und Verbraucher.
Mit der industriellen Revolution, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zunächst in England begann, setzte eine gewaltige Modernisierung der Produktion (z. B. Dampfmaschinen) und des Rechts (z. B. Gewerbefreiheit) ein, welche die Produktions-, Arbeits- und Lebensbedingungen tiefgreifend veränderte. Eine von diesen Veränderungen war die schrittweise Etablierung einer Massenproduktion, welche die Märkte und auch die Marktbeziehungen zwischen den Anbietern und den Nachfragern revolutionierte. Die Größe der Produktionsmenge ließ es nicht mehr zu, den Absatz nur auf lokalen Märkten zu suchen. Der Zwang zur Marktausdehnung war die logische Konsequenz; der Absatz vieler Produktionsbetriebe richtete sich folglich national bzw. international aus. Dies ging auch, weil sich in der industriellen Revolution die Infrastruktur (z. B. der Bahnverkehr) stetig verbesserte. Durch die Marktausdehnung einzelner Unternehmen vergrößerte sich auf vielen Teilmärkten das Angebot bei nahezu gleicher Nachfrage. Es bildeten sich Käufermärkte heraus.
Diese Entwicklung hält bis heute an, wobei der Handel zunehmend globaler wird (Stichwort: Globalisierung). Das Internet und die darauf aufbauenden "globalisierten" Handelsplattformen unterstützen zudem diesen Trend.
Historisch stockte die Herausbildung von Käufermärkten nur durch Krisen, die jedoch in der historischen Gesamtschau nicht von langer Dauer waren. Zum Beispiel bildeten sich in Deutschland während des Zweiten Weltkriegs Verkäufermärkte heraus, die in Teilen bis in die 50er Jahre in Deutschland fortexistierten. Der Grund lag zunächst darin, dass während des Zweiten Weltkriegs durch die vom nationalsozialistischen Staat forcierte Etablierung großer Rüstungsindustrien die Konsumgüterindustrie eingeschränkt wurde. Die Folge daraus war ein Mangel an Konsumgütern auf den Märkten. Kriegszerstörungen von Produktionsanlagen und Hausrat verschärften diese Problematik überdies. Die beständig hohe Nachfrage traf auf ein immer kleineres Angebot von Konsumgütern.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Situation nicht schlagartig eine andere. Vielmehr mussten bis in die fünfziger Jahre hinein viele zerstörte Güter ersetzt werden. Ein gewaltiger Nachfrageboom bei nicht sofort nachziehender Produktion setzte ein. Werbung war in dieser Zeit von nachrangiger Bedeutung. Die Käufer kauften so oder so.
Als in den fünfziger Jahren Sättigungsprozesse (es wurde nicht mehr so viel an Gütern benötigt wie zuvor) eintraten, wurde der Verkäufer- wieder von einem Käufermarkt abgelöst, der bis heute fortbesteht.
Während der industriellen Revolution nahm durch die Ausdehnung des Absatzes vieler Unternehmen in neue Märkte die Konkurrenz bzw. Wettbewerbsintensität zu. Viele potenzielle Käufer hatten durch dieses Verhalten der Unternehmen mehr Auswahl als zuvor. Das Angebot wurde größer als die Nachfrage - es entstanden Käufermärkte.
Es stieg aber auch die Anonymität auf den Märkten. Viele Produzenten waren den Käufern nicht mehr so bekannt wie noch in der vorindustriellen Zeit. Dort war der Handwerker, der ein Produkt herstellte, nicht selten auch der Verkäufer auf dem Markt.
In Reaktion darauf setzte sich bei vielen produzierenden Unternehmen die Erfahrung durch, dass es nicht nur das Angebot ist, welches die Nachfrage schafft (wie in der klassischen Theorie von Jean Baptiste Say beschrieben). Vielmehr sollte die Nachfrage in einem Umfeld des Wettbewerbs auf die eigenen Produkte gelenkt werden. Werbung wurde hierzu als ein Mittel der Konsumlenkung erkannt. Sie war in der ersten Zeit mehr eine Informationen, die auch oft als Reklame bezeichnet wurde (z. B. Handzettel, die das Produkt erklärten oder einfache Emailleschilder). Diese erste Art von Werbung orientierte sich dabei hauptsächlich am Produkt, d. h. die Vorteile und Informationen über das Produkt sollten dem Käufer näher gebracht werden (z. B. bei dem Produkt des Oetker Backpulvers von 1893 wurde in der Werbung die durch Nutzung des Pulvers erreichte Arbeitserleichterung für die Hausfrau gezeigt).
Mit sich erhöhendem Wettbewerbsdruck im Käufermarkt reichte um die Jahrhundertwende auch dieses Vorgehen einfacher Werbung nicht mehr aus. Man merkte, dass man um mehr zu verkaufen, den Kunden verstehen müsse (z. B. seine vielfältigen Bedürfnisse). Auch das wettbewerbliche Umfeld musste beachtet werden (z. B. welche Konkurrenz bietet welche Produkte an?). Im Ergebnis daraus entstand die Marktforschung. 1918 erschien hierzu erstmals zum Thema ein Buch. Autor war der Amerikaner Ralph Starr Butler (1882-1971) und das Buch hatte den Titel: "Marketing Methods". Nach und nach entwickelte sich auch im damaligen Deutschen Reich das Marketing. 1928 schrieb Erich Schäfer den Klassiker "Grundlagen der Marktbeobachtung".
Mit der zunehmenden Sättigung mit Alltagsgütern und des immer größer werdenden Angebots wurde der Wettbewerb innerhalb der Überflussgesellschaften größer und härter. Der "König Kunde" rückte mehr und mehr in den Fokus der Unternehmen. Die Marktforschung versuchte, mit Hilfe komplizierter Marktanalysen den Markt exakt zu erfassen und durch Marktprognosen auch Marktentwicklungen vorherzusehen. Ziel dabei war es, den Markt genau zu verstehen und sich danach auszurichten. Die Ergebnisse der Marktforschung sollten bei allen wichtigen Unternehmensentscheidungen berücksichtigt werden. Marketing wurde damit eine Denkrichtung, eine "Führungsphilosophie", d. h. die konsequente Ausrichtung des gesamten Unternehmens auf den Markt bzw. den (potentiellen) Kunden mit seinen Bedürfnissen (marktorientierte Unternehmensführung).
Marketing wird in dieser Form das Leitkonzept der Unternehmensführung. Heribert Meffert, der den Marketing-Klassiker "Marketing – Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung" geschrieben hat, definiert Marketing entsprechend folgendermaßen:
In der ... Interpretation bedeutet Marketing die Planung, Koordination und Kontrolle aller auf die aktuellen und potentiellen Märkte ausgerichteten Unternehmensaktivitäten. Durch eine dauerhafte Befriedigung der Kundenbedürfnisse sollen die Unternehmensziele verwirklicht werden. (vgl. Meffert, H.: Marketing, Wiesbaden, 2000, 9. Auflage, S. 8)
Im Rahmen der Marketing-Wissenschaften wurden zur Verwirklichung der marktorientierten Unternehmensführung vielfältige Marketingstrategien und –instrumente entwickelt, die in den folgenden Übungen von Lernnetz24 vorgestellt werden.
Viel Erfolg beim Üben.