KVT
KV-Trainer: Hinweise zu den Aufgaben zum Nachlesen

1.9 Anfechtung - Multiple Choice

Die Aufgaben

Mit Hilfe eines Multiple-Choice-Tests können Fragen rund um das Thema Anfechtung mit folgenden Schwerpunkten geübt werden:

Bitte beachten Sie: Die einzelnen Aufgaben werden zur Laufzeit generiert. Dabei gibt es zu jeder Frage mehrere sprachlich und inhaltlich unterschiedliche Varianten. Das heißt, dass sich die Tests beim wiederholten Üben unterscheiden. Es ändert sich die Reihenfolge der Fragen, die Reihenfolge der Distraktoren in der jeweiligen Frage und es gibt unterschiedliche Formulierungen der Fragen und der Distraktoren. Es hat also keinen Sinn, sich zu merken, dass bei Frage 1 die Antwort 2 richtig ist usw., sondern man muss jedes Mal die Fragestellung neu erfassen und beantworten.

Zu den einzelnen Antworten erhalten Sie bei der Kontrolle weiterführende Erläuterungen.

Methodischer Hinweis: Um die Übung zur Anfechtung mit Erfolg absolvieren zu können, ist es ratsam, die vorhergehenden Themen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen im Kaufvertragstrainer zu lernen und zu üben.

Definition Anfechtung

Die Anfechtung ist eine rechtswirksame Einwendung, durch die eine ursprünglich rechtswirksam abgegebene Willenserklärung unwirksam (= nichtig) wird. Mit anderen Worten: Die Anfechtung ist eine rechtsvernichtende Einwendung.

Wird ein Vertrag rechtswirksam angefochten, so ist der Vertrag von Anfang an nichtig (§ 142 Abs. 1 BGB). Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass ein Vertrag so lange rechtswirksam gültig ist, bis er angefochten wird. Eine automatisierte Nichtigkeit gibt es nicht.

Anfechtungsgründe

1. Erklärungsirrtum (§ 119 Abs. 1 BGB)

Ein Erklärungsirrtum liegt dann vor, wenn der Erklärende eine Erklärung mit dem entsprechenden Inhalt überhaupt nicht abgeben wollte, indem er sich zum Beispiel verspricht, vertippt oder verschreibt. Es liegt damit ein unbewusstes Auseinanderfallen von objektiv Erklärtem und subjektiv Gewolltem vor.

Beispiel: Schreibfehler

Peter möchte 100 Wasserflaschen beim Lieferanten Drink Cool GmbH kaufen. Während des Bestellvorgangs schreibt Peter in das Feld des Bestellscheins aus Versehen anstelle der Zahl 100 die Zahl 1000. Nachdem er die Bestellung versendet hat, sieht er auf dem Durchschlag, dass er versehentlich eine 0 zu viel geschrieben hatte. In diesem Fall liegt ein Erklärungsirrtum vor, der angefochten werden kann.

Wichtig ist abschließend zu bemerken, dass der Erklärende trotz seines Irrtums an dem tatsächlich Gewolltem festhalten muss. Er muss im obigen Beispiel die 100 Wasserflaschen kaufen, denn er ist nur von dem Fehler (1000 statt 100) befreit.

2. Inhaltsirrtum (§ 119 Abs. 1 BGB)

Ähnlich wie beim Erklärungsirrtum liegt auch hier ein Auseinanderfallen von objektiv Erklärtem und subjektiv Gewolltem vor. In diesem Fall ist jedoch der Erklärende über den Inhalt der Erklärung zum Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung im Irrtum. Er sieht in der Erklärung nicht die richtige Bedeutung, die sie in Wirklichkeit hat.

Beispiel: Inhaltsirrtum im Restaurant

Peter geht in der Nähe des Kölner Doms in ein Restaurant. Auf der Speisekarte wird ein "halver Hahn" für 5 € angeboten, den Peter in Erwartung eines leckeren halben Hähnchens sofort bestellt. Im Raum Köln versteht man jedoch unter einem "halven Hahn" ein Roggenbrötchen. Peter hat sich also zum Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung über die Bedeutung geirrt. Er kann die Bestellung anfechten.

3. Eigenschaftsirrtum (§ 119 Abs. 2 BGB)

Eigenschaften sind nach herrschender Meinung alle tatsächlichen oder rechtlichen Merkmale, die einer Sache oder Person für eine gewisse Dauer anhaften und die für ihre Wertschätzung erheblich sind. Verkehrswesentlich bedeutet, dass die Eigenschaft nach der Verkehrsanschauung von Bedeutung ist.

Beispiel 1:

Peter kauft von einer Galerie ein Kunstwerk, das als Original im Verkaufskatalog angegeben wird. Später stellt sich heraus, dass das Kunstwerk eine Kopie des Originals ist. Die Originalität ist jedoch eine verkehrswesentliche Eigenschaft eines vom Schöpfer gemalten Bildes. Der Galerist wusste von der Fehlerhaftigkeit nichts. Der Kauf kann demnach angefochten werden.

Beispiel 2:

Thomas kauft ein Ökoauto, dass weniger als 5 Liter Benzin auf 100 km verbrauchen soll. Nach längerer Nutzung des Autos stellt sich jedoch heraus, dass das Auto im Durchschnitt 1 bis 2 Liter mehr verbraucht. Der Verbrauch von Benzin ist bei einem Ökoauto eine verkehrswesentliche Eigenschaft. Der Kauf kann angefochten werden.

Beispiel 3:

Die Businessbank möchte einen Kassierer einstellen. Hierzu gibt sie eine Stellenanzeige in der örtlichen Zeitung auf. Einige Zeit später stellt die Bank einen Kassierer mit den entsprechenden Qualifikationen ein. Als die Bank später erfährt, dass der Kassierer in seiner Vergangenheit mehrere Anzeigen wegen Betrugsdelikten hat, ficht sie den Arbeitsvertrag an, da eine verkehrswesentliche Eigenschaft in der Qualifikation des Arbeitnehmers (nämlich die Ehrlichkeit) nicht erfüllt ist.

4. Irrtum bei der Übermittlung einer Willenserklärung (§ 120 BGB)

Ein besonderer Fall des oben beschriebenen Erklärungsirrtums ist der so genannte Übermittlungsirrtum. Dabei liegt das Problem insbesondere in der Übermittlung der Willenserklärung. Zum Beispiel weil ein Bote die Willenserklärung für den Absender falsch übermittelt.

Beispiel 1: Bote

Der Möbelfabrikant Wurm beauftragt seine Sekretärin Frau Ginster, 10 Pralinenpackungen zu bestellen. Frau Ginster bestellt jedoch aus Versehen 100 Packungen. Da hier ein Übermittlungsirrtum durch die Sekretärin vorliegt, kann der Möbelfabrikant Wurm die Bestellung anfechten.

Beispiel 2: telekommunikative Übermittlung

Aufgrund eines internen technischen Fehlers bei einem Provider wird eine Bestellung von der Möbelfabrik Wurm zu einem Lieferanten falsch übermittelt. In diesem Fall liegt ein Irrtum in der Übermittlung vor, der angefochten werden kann.

5. Arglistige Täuschung (§ 123 BGB)

Eine arglistige Täuschung liegt vor, wenn ein Vertragspartner vorsätzlich falsche Tatsachen vorspiegelt oder wahre Tatsachen unterdrückt. Die vorsätzliche Handlung liegt auch dann vor, wenn der Täuschende es für möglich hält, dass seine unrichtige Erklärung eine Bedeutung bei der Willensbildung des Vertragspartners haben könnte.

Durch die arglistige Täuschung beruht die Willenserklärung des Vertragspartners auf einer fehlerhaften Grundlage. Er hätte die Willenserklärung unter Kenntnis der Täuschung nicht gegeben. Damit ist der Irrtum fremdverschuldet. Wichtig ist auch, dass bei einem Vertragsschluss alle Umstände, die für den Vertragspartner von ausschlaggebender Bedeutung sind (z. B. Unfallschäden bei einem Autokauf), ungefragt offenbart werden müssen.

Beispiel: arglistige Täuschung

Petra kauft sich beim Gebrauchtwarenhändler einen Kleinwagen. Der Händler lobt den zu verkaufenden Gebrauchtwagen in höchsten Tönen und verschweigt einen Unfallschaden, der das Fahrwerk verzogen hat. Da der Gebrauchtwarenhändler Kenntnis des Schadens hatte und er vorsätzlich falsche Tatsachen vorspiegelt, liegt eine arglistige Täuschung vor. Der Kauf kann daher von Petra angefochten werden.

6. Widerrechtliche Drohung (§ 123 BGB)

Die Widerrechtlichkeit kann sich ergeben aus der Rechtswidrigkeit:

  1. des gewählten Mittels (z. B. durch Androhung eines Übels wie Tod oder Gewalt),
  2. des Zwecks (z. B. Anstiftung zur Begehung einer Straftat),
  3. der Beziehung zwischen Mittel und Zweck (Zweck-Mittel-Relation).

Beispiel 1: rechtswidriges Mittel

Kai bedroht auf der Straße Bettina. Er sagt, dass er sie schlagen würde (das Mittel der Drohung - körperliche Gewalt - ist rechtswidrig), wenn sie den von Kai vorgelegten Kaufvertrag über drei Fahrräder nicht unterschreibt (der Zweck der Drohung - der Verkauf der Fahrräder - ist für sich genommen nicht rechtswidrig). Aus Angst unterschreibt Bettina den Vertrag. Später kann Bettina den Vertrag zwischen ihr und Kai anfechten, weil eine widerrechtliche Drohung vorgelegen hat.

Beispiel 2: rechtswidriger Zweck

Kai weiß, dass Bettina vor kurzen in einem Kaufhaus Kosmetika gestohlen hat. Er fordert von ihr, drei alte Fahrräder zum Neupreis zu kaufen (der Zweck der Drohung - der Verkauf zum überhöhten Preis - ist rechtswidrig), ansonsten würde er sie bei der Polizei anzeigen (das Mittel der Drohung - Anzeige einer Straftat - ist für sich genommen nicht rechtswidrig).

Beispiel 3: rechtswidrige Zweck-Mittel-Relation

Kai weiß, dass Bettina vor kurzen in einem Kaufhaus Kosmetika gestohlen hat. Er fordert von ihr, ihm drei alte Fahrräder abzukaufen (der Zweck der Drohung - der Verkauf der Fahrräder - ist für sich genommen nicht rechtswidrig), ansonsten würde er sie bei der Polizei anzeigen (das Mittel der Drohung - Anzeige einer Straftat - ist für sich genommen nicht rechtswidrig). Die Rechtswidrigkeit ergibt sich hier aus dem Umstand, dass kein innerer Zusammenhang zwischen Zweck und Mittel besteht: Wer Kosmetika gestohlen hat, muss deswegen keine Fahrräder kaufen.

Anfechtungsfristen

1. Anfechtungsfrist nach §§ 119, 120 BGB (Erklärungs-, Inhalts-, Eigenschafts- und Übermittlungsirrtum)

Geregelt ist die Anfechtungsfrist im § 121 des BGB, der nachfolgend aufgeführt wird:

§ 121 BGB

(1) Die Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rechtzeitig erfolgt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist.

Beispiel: Tippfehler

Der Möbelfabrikant Wurm hat sich bei einer Bestellung versehentlich vertippt und anstellt von 100 Badschränken 1000 Bandschränke bestellt. Als er den Fehler bemerkt, meldet er sich unverzüglich bei seinem Lieferanten, um die fehlerhafte Bestellung anzufechten. In diesem Fall ist die Anfechtungsfrist nicht überschritten, da sich Herr Wurm ohne schuldhaftes Zögern bei seinem Lieferanten gemeldet hat.

2. Anfechtungsfrist nach § 124 BGB (arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung)

Zum Verständnis der Anfechtungsfrist ist der nachfolgende § 124 BGB von grundlegender Bedeutung:

§ 124 BGB

(1) Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen.
(2) Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.

Demnach beginnt die einjährige Verjährungsfrist erst mit dem Erkennen der Täuschung oder dem Wegfall der Zwangslage, die durch eine Bedrohung entstanden ist.

Beispiel 1: Erkennen der Täuschung

Petra kauft bei einem Autohändler einen unfallfreien PKW. Die Unfallfreiheit wurde ausdrücklich im Vertrag niedergeschrieben. Als Petra zwei Wochen später das Auto in die Werkstatt gibt, um die Winterreifen aufziehen zu lassen, teilt der ihr der Kfz-Mechatroniker mit, dass der Unterboden verzogen sei und das Auto ein Unfallwagen sein müsse. In diesem Augenblick erkennt Petra die Täuschung und die Anfechtungsfrist beginnt zu laufen.

Beispiel 2: Wegfall der Drohung

Kai hat mit Bettina einen Kaufvertrag über ein Fahrrad abgeschlossen. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestand eine widerrechtliche Drohung seitens von Kai mit dem Ziel, dass Bettina in den Vertrag einwilligt. Fällt die Zwangslage weg, weil zum Beispiel Kai keinen direkten Kontakt mehr zu Bettina hat, kann der Vertrag innerhalb eines Jahres angefochten werden.

Vertrauensschaden (§ 122 BGB)

Grundsätzlich gilt, dass bei angefochtenen Willenserklärungen aufgrund eines Inhalts-, Erklärungs-, Eigenschafts- oder Übermittlungsirrtums der Erklärende den Schaden zu ersetzen hat, den der andere dadurch erleidet, dass er auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut hat (§ 122 BGB). Ein Ersatz eines Vertrauensschadens tritt jedoch nicht ein, wenn bei der Anfechtung eine widerrechtliche Drohung oder arglistige Täuschung zugrunde liegt.

Methodischer Hinweis: Die meisten kaufmännischen Abschlussprüfungen beinhalten keine Fragen zum Vertrauensschaden aus der Anfechtung. Aus diesem Grund gibt es an dieser Stelle keine weiteren Ausführungen und es gibt auch keine Fragen zum Vertrauensschaden in den Multiple-Choice-Übungen.

Zur Vertiefung (Vertrauensschaden): https://de.wikipedia.org/wiki/Vertrauensschaden

Viel Erfolg beim Üben.