Darüber hinaus werden noch die Lagerzinsen auf das gebundene Kapital (siehe Exkurs weiter unten) zu den Lagerkosten hinzugerechnet. Das gebundene Kapital kann damit nicht bei der Bank angelegt werden. Fehlendes Kapital kann auch eine hohe Belastung für die eigene Liquidität (Zahlungsfähigkeit) bedeuten.
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Höhe aller Lagerkosten von der mengen- und wertmäßigen Einlagerung von Waren und Werkstoffen abhängt. Daher wird zur Senkung der Lagerkosten in der Regel ein geringer Lagerbestand angestrebt.
Betrachtet man Bestell- und Lagerkosten im Zusammenhang, so lässt sich feststellen: Einsparungen bei den Bestellkosten durch größere Bestellintervalle mit größeren Bestellmengen führen also zu höheren Kosten im Lager. Es besteht ein Zielkonflikt zwischen den Bestell- und den Lagerkosten. Bei der Ermittlung der optimalen Bestellmenge geht es also um die Reduzierung des bestehenden Zielkonflikts.
"Unter einem Optimum (...) versteht man das beste erreichbare Resultat im Sinne eines Kompromisses zwischen verschiedenen Parametern oder Eigenschaften unter dem Aspekt einer Anwendung, einer Nutzung oder eines Zieles" (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Optimum).
Eine optimale Bestellmenge wäre demnach die Bestellmenge, bei der sowohl die Lagerkosten als auch die Bestellkosten ein Minimum erreichen.
Perfekt für Unternehmer wäre es, wenn neben den Bestell- und Lagerkosten noch viele weitere Punkte bei der Berechnung des Optimums beachtet werden könnten, zum Beispiel:
Müssten alle Daten und Annahmen berücksichtigt werden, würde man komplizierte mathematische Modelle auch unter Einbeziehung der Wahrscheinlichkeitsrechnung verwenden müssen, um die optimale Bestellmenge zu errechnen. In der Betriebswirtschaftslehre gibt es den Bereich des Operations Research, der sich mit den Möglichkeiten mathematischer Methoden zur Vorbereitung optimaler Entscheidungen auseinandersetzt. Diese Modelle sollen an dieser Stelle jedoch nicht erläutert werden, da sie nicht Bestandteil der gängigen IHK-Ausbildungsprüfungen sind.
Zur Ermittlung der optimalen Bestellmenge gibt es ein einfaches Grundmodell mit vereinfachten Annahmen (Prämissen). Dieses Modell, auch Andler-Modell (nach dem deutschen Ökonomen Andler (1894-1929)) genannt, dient der theoretischen Veranschaulichung einer optimalen Bestellmenge und findet sich daher auch in vielen Lehrbüchern.
Nach dem Modell gelten folgende Annahmen:
Zur vereinfachten Berechnung der optimalen Bestellmenge bedient man sich der nach Andler benannten Andler'schen Formel (auch Andlerformel genannt):
Hinweis: In der Literatur findet man auch eine Variante der Formel, die statt den Faktor 200 den Faktor 2 verwendet, dafür aber mit dem Lagerkostensatz in Prozent rechnet, also den Lagerkostensatz durch 100 teilt. Das Ergebnis ist dasselbe.
Hinweis: Der Lagerkostensatz ist ein prozentualer Aufschlag auf den Bezugs- bzw. Einstandspreis. Er beinhaltet unter anderem die Vorratshaltungskosten sowie die Raumkosten für die eingelagerten Waren bzw. Werkstoffe. Im Lagerkostensatz ist oftmals auch ein Zinskostensatz enthalten, der die Kosten für tote bzw. gebundene Kapital berücksichtigt. Der Zinskostensatz entspricht dem durchschnittlichen Marktzinssatz für Bankeinlagen.
Beispiel für die Zusammensetzung des Lagerkostensatzes bei der Möbelfabrik Wurm
Der Aufschlag für die Lagerkosten auf den Bezugs- bzw. Einstandspreis (so genannter Lagerkostensatz) wurde in der Möbelfabrik Wurm mit 4 % kalkuliert. Der Zinssatz beinhaltet die Raumkosten (z. B. Instandhaltung der Regale), Vorratshaltungskosten (z. B. Pflege der Möbel) sowie zusätzlich ein Zinskostenzuschlag von 1 % enthalten. Die Zinskosten sind die Kosten für das gebundene Kapital. Hätte die Möbelfabrik Wurm das vorhandene Geld nicht in Waren oder Werkstoffe investiert, so hätte sie das Geld bei der Bank anlegen können und dafür 1 % Zinsen pro Jahr erhalten.
Beispiel zur Berechnung nach der Andlerformel
Die Aufgabe: Die Möbelfabrik Wurm schätzt den Gesamtbedarf der Badschränke auf 10.000 Stück. Die bestellfixen Kosten betragen je Bestellung 1200 €. Der Einstands- bzw. Bezugspreis je Badschrank beträgt 40 €. Der durchschnittliche Zinssatz für Tagesgeld bei den Banken beträgt 1 %, der Lagerzinssatz wird im Unternehmen mit 3 % kalkuliert.
Wie hoch ist die unter diesen Bedingungen die optimale Bestellmenge?
optimale Bestellmenge = 3873 (auf ganze Stück gerundet)
Wie hoch ist die Anzahl der Bestellungen (Banz) für die ermittelte optimale Bestellmenge bei einem Jahresbedarf von 10.000 Stück?
Banz = | Jahresbedarf |
optimale Bestellmenge |
Banz = | 10 000 | = 2,6 (gerundet) |
3873 |
Da die Zahl keine ganze Zahl ist, müsste man in diesem Fall aufrunden und die letzte Bestellung entsprechend kleiner ausfallen lassen. Auch andere Lösungen sind möglich, wenn betriebliche Gegebenheiten dies erfordern.
Die optimale Bestellmenge lässt sich auch ohne Nutzung der Andler´schen Formel errechnen. Hierzu wird eine Tabelle angelegt. In dieser werden die Bestellmengen bei unterschiedlicher Bestellhäufigkeit mit den dazugehörigen Gesamtkosten (= Lagerkosten + Bestellkosten) berechnet. Die Bestellmenge mit den geringsten Gesamtkosten entspricht der optimalen Bestellmenge.
Die Lagerkosten können dabei mit Hilfe des Lagerkostensatzes in Prozent oder der variablen Lagerkosten in Euro pro Stück berechnet werden. Manche Lehrbücher und Schulen vermeiden den Begriff Lagerkostensatz und verwenden nur feste variable Lagerkosten, möglicherweise, um Fehler bei der Prozentrechnung zu vermeiden. Wir zeigen im Folgenden Beispiele für beide Varianten.
Beispiel zur Ermittlung der optimalen Bestellmenge mit Lagerkostensatz in Prozent
Folgende Daten sind gegeben:
Lösung
Bestellhäufigkeit | Bestellmenge in Stück | Durchschnittlicher Lagerbestand in Stück | Durchschnittlicher Lagerbestand in Euro | Lagerkosten in Euro | Bestellkosten in Euro | Gesamtkosten in Euro | Optimale Bestellmenge |
---|---|---|---|---|---|---|---|
1 | 10.000 | 5.000,00 | 200.000,00 | 8.000,00 | 1.200,00 | 9.200,00 | |
2 | 5.000 | 2.500,00 | 100.000,00 | 4.000,00 | 2.400,00 | 6.400,00 | |
3 | 3.334 | 1.667,00 | 66.680,00 | 2.667,20 | 3.600,00 | 6.267,20 | X |
4 | 2.500 | 1.250,00 | 50.000,00 | 2.000,00 | 4.800,00 | 6.800,00 | |
5 | 2.000 | 1.000,00 | 40.000,00 | 1.600,00 | 6.000,00 | 7.600,00 | |
6 | 1.667 | 833,50 | 33.340,00 | 1.333,60 | 7.200,00 | 8.533,60 | |
7 | 1.429 | 714,50 | 28.580,00 | 1.143,20 | 8.400,00 | 9.543,20 |
Erläuterungen zur Lösung
Bestellhäufigkeit (Spalte 1): Die Bestellhäufigkeit stellt die Anzahl der Bestellungen dar. So kann der vorab festgelegte Jahresbedarf in Höhe von 10.000 Stück entweder einmal bestellt werden oder auch durch mehrmalige Bestellungen erfolgen.
Bestellmenge in Stück (Spalte 2): Die Bestellmenge in Stück berechnet sich wie folgt:
Bestellmenge in Stück = | Jahresbedarf |
Bestellhäufigkeit |
Bei vier Bestellungen werden pro Bestellung 2.500 Stück bestellt. Vier Bestellungen decken den Jahresbedarf.
Besitzt das Ergebnis Nachkommastellen, so ist grundsätzlich aufzurunden. Nur so ist sichergestellt, dass der gewünschte Jahresbedarf durch die Bestellungen gedeckt ist. Abweichende Unternehmensregeln sind natürlich möglich.
Durchschnittlicher Lagerbestand in Stück (Spalte 3): Der durchschnittliche Lagerbestand wird wie folgt ermittelt:
Bei einer viermaligen Bestellung in Höhe von jeweils 2.500 Stück befinden sich durchschnittlich 1.250 Stück der Ware im Lager.
Im Modell wird von einem gleichmäßigen Verbrauch ausgegangen, der jedoch so nicht vorhanden sein muss. Der durchschnittliche Lagerverbrauch ist damit nur eine theoretische Annahme.
Durchschnittlicher Lagerbestand in Euro (Spalte 4): Wird der durchschnittliche Lagerbestand in Stück mit dem Bezugspreis (Einstandspreis) der Badschränke in Euro multipliziert, so erhält man den durchschnittlichen Lagerbestand in Euro.
Lagerkosten in Euro (Spalte 5): Zur Berechnung dieser Spalte wird der Lagerzinssatz in Prozent herangezogen. Er wird mit dem durchschnittlichen Lagerbestand in Euro multipliziert (Beispielrechnung für Zeile 1: 200.000 € · 4 % = 8.000 €).
Bestellkosten (Spalte 6): Das Ergebnis dieser Spalte ergibt sich aus der Multiplikation der bestellfixen Kosten mit der Bestellhäufigkeit.
Gesamtkosten (Spalte 7): Die Gesamtkosten sind das Ergebnis der Addition von Lagerkosten und Bestellkosten.
Markierung der optimalen Bestellmenge (Spalte 8): Die Markierung in Spalte 8 zeigt die geringsten Gesamtkosten an. Die Bestellmenge in dieser Zeile ist die optimale Bestellmenge.
Beispiel zur Ermittlung der optimalen Bestellmenge mit variablen Lagerkosten pro Stück
Folgende Daten sind gegeben:
Lösung
Bestellhäufigkeit | Bestellmenge in Stück | Durchschnittlicher Lagerbestand in Stück | Lagerkosten in Euro | Bestellkosten in Euro | Gesamtkosten in Euro | Optimale Bestellmenge |
---|---|---|---|---|---|---|
1 | 10.000 | 5.000,00 | 8.000,00 | 1.200,00 | 9.200,00 | |
2 | 5.000 | 2.500,00 | 4.000,00 | 2.400,00 | 6.400,00 | |
3 | 3.334 | 1.667,00 | 2.667,20 | 3.600,00 | 6.267,20 | X |
4 | 2.500 | 1.250,00 | 2.000,00 | 4.800,00 | 6.800,00 | |
5 | 2.000 | 1.000,00 | 1.600,00 | 6.000,00 | 7.600,00 | |
6 | 1.667 | 833,50 | 1.333,60 | 7.200,00 | 8.533,60 | |
7 | 1.429 | 714,50 | 1.143,20 | 8.400,00 | 9.543,20 |
Erläuterungen zur Lösung
Bei der Verwendung der variablen Lagerkosten benötigt man zur Berechnung der optimalen Bestellmenge keinen durchschnittlichen Lagerbestand in Euro, da die Lagerkosten mit Hilfe der variablen Kostengröße pro Stück berechnet werden (hier im Beispiel: 1,60 € pro eingelagerten Badschrank)
Die Lagerkosten in Spalte 4 ergeben sich also durch Multiplikation des durchschnittlichen Lagerbestands in Stück (Spalte 3) mit den variablen Lagerkosten pro Stück (Beispielrechnung für Zeile 1: 5.000 Stück · 1,60 €/Stück = 8.000 €).
Die Lösung ist bei beiden Aufgabenstellungen gleich.
Mit Hilfe der Daten in den Tabellen lässt sich die optimale Bestellmenge graphisch darstellen. Die optimale Bestellmenge liegt bei dem Minimum der Gesamtkostenkurve. Für die Graphik wurden die Daten der Beispielaufgabe verwendet.
Deutlich aus den Ausführungen sollte werden, dass die optimale Bestellmengenberechnung nach Andler nur eine eingeschränkte Sicht auf die Realität bietet, da zu viele Konstanten und Annahmen gesetzt sind. So können sich zum Beispiel Bedarfe schnell ändern. Dennoch veranschaulicht das eingeschränkte Modell von Andler gut den Zusammenhang zwischen den Bestell- und Lagerkosten.
Viel Erfolg beim Üben.