Mit Hilfe dieser Aufgaben kann die Bewertung von Vorräten nach der einfachen gewogenen Durchschnittsbewertung unter Einbeziehung des strengen Niederstwertprinzips geübt werden. Die Aufgaben sehen zum Beispiel so aus:
Die Möbelfabrik Wurm möchte für den Rohstoff (Holz) zum Bilanzstichtag eine einfache gewogene Durchschnittsbewertung vornehmen. Die durch körperliche Inventur festgestellte Menge beträgt: 600 m³
Produkt: Holz, Eiche | Datum | Menge m³ | Anschaffungskosten je m³ | Gesamtwert |
---|---|---|---|---|
Anfangsbestand | 01.01. | 300 | 500,00 € | 150.000,00 € |
Zugang | 23.01. | 400 | 600,00 € | 240.000,00 € |
Zugang | 09.05. | 100 | 400,00 € | 40.000,00 € |
Zugang | 12.11. | 800 | 900,00 € | 720.000,00 € |
∑ 1600 | Ø € | ∑ 1.150.000,00 € |
Bilanzansatz für Tageswert 850,00 € pro m³ Holz: | € |
Bilanzansatz für Tageswert 600,00 € pro m³ Holz: | € |
Didaktisch-methodischer Hinweis: Rechnungen, bei denen die Herstellkosten anstelle von Anschaffungskosten im Zentrum der Betrachtung stehen, sind aus Vereinfachungsgründen nicht Bestandteil der Übung.
Zum Jahresabschluss sind alle Vorräte (wie auch alle anderen Vermögensteile und Schulden) nach gesetzlichen Vorgaben zu bewerten. Diese Bewertung bzw. Bilanzierung ist bedeutsam für die Ermittlung des Jahresgewinns bzw. Jahresverlusts.
Vorräte umfassen im Rechnungswesen eines Industriebetriebes folgende Vermögensgegenstände:
Maßgeblich für die Bewertung sind die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten und der Tageswert, denn der Wert eines Vermögensgegenstandes kann sich ändern (z. B. steigende oder fallende Preise auf dem Rohstoffmarkt). In diesem Zusammenhang spricht man vom strengen Niederstwertprinzip, das heißt, dass bei zwei möglichen Wertansätzen eines Vermögensgegenstandes immer der niedrigere Wert anzusetzen ist. Die Anwendung dieses Prinzips ist gesetzlich vorgeschrieben:
§ 254 (4) Handelsgesetzbuch (HGB)
Bei Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens sind Abschreibungen vorzunehmen, um diese mit einem niedrigen Wert anzusetzen, der sich aus einem Börsen- oder Marktpreis am Abschlusstag ergibt. Ist ein Börsen- oder Marktpreis nicht festzustellen und übersteigen die Anschaffungs- oder Herstellkosten den Wert, der den Vermögensgegenständen am Abschlussstichtag beizulegen ist, so ist auf diesen Wert abzuschreiben.
Nach dem strengen Niederstwertprinzip ist Umlaufvermögen also zwingend abzuschreiben, wenn der Tageswert des Börsen- oder Marktpreises am Bilanzstichtag geringer als die ursprünglichen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten ist. Daher gilt folgende Regel:
Anschaffungskosten > Markt-, Börsenpreis (Tageswert) => Bewertung der Vorräte nach dem Tageswert
Anschaffungskosten <= Markt-, Börsenpreis (Tageswert) => Bewertung der Vorräte nach den Anschaffungskosten
Der betriebswirtschaftliche Sinn des strengen Niederstwertprinzips ist im Vorsichtsprinzip begründet. Die von außen auf die Bilanz schauenden Interessenten sind so vor Überbewertungen des Umlaufvermögens geschützt (z. B. potentielle Käufer eines Unternehmens, Aktionäre, Kreditgeber etc.).
Zur Bewertung müssen die Vorräte im Rahmen einer Inventur (s. Thema 2.1) körperlich erfasst werden.
Anschließend ist der Ausgangswert für die Bewertung zu bilden. Bei Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie Fremdbauteilen und Handelswaren werden grundsätzlich die Anschaffungskosten als Wert herangezogen. Unfertige und fertige Erzeugnisse werden mit den Herstellkosten bewertet.
Merke: Der ermittelte Wert für die Anschaffungskosten ist mit dem Tageswert am Bilanzstichtag zu vergleichen. Für die Bilanz ist der niedrigere der beiden Werte anzusetzen.
Bewertungsverfahren
Vermögensgegenstände sind zwar grundsätzlich einzeln zu bewerten, jedoch ist die Einzelbewertung praktisch kaum möglich, wenn sich der zu bewertende Inventarbestand aus einer Vielzahl von Posten aus unterschiedlichen Lieferungen zu unterschiedlichen Preisen zusammensetzt.
Beispiel zur Bewertungsproblematik: Die Möbelfabrik Wurm kaufte zweimal Holz zu jeweils unterschiedlichen Preisen. Im ersten Kauf beschaffte die Möbelfabrik Wurm 120 m³ für jeweils 400 €/m³ und im zweiten Kauf 100 m³ für jeweils 500 €/m³. Zum Jahresende wurde in der Produktion bis auf 40 m³ das gesamte Holz verarbeitet. Der Buchbestand an Holz wurde durch eine körperliche Inventur bestätigt.
Mit welchem Wert sollen diese 40 m³ in der Bilanz erfasst werden. Soll als Wert für die Inventurmenge der Preis von 400 € oder 500 € pro m³ herangezogen werden? Aus welchem Kauf stammt das in der Inventur gezählte Holz? Aus dem ersten oder zweiten Beschaffungsvorgang?
Könnte man die Fragen aus dem Beispiel mit etwas Aufwand noch beantworten, so wäre das im Falle eines Tanks, der Öl zum Imprägnieren von Holz enthält und der bei Bedarf wieder aufgefüllt wird, praktisch unmöglich.
Deshalb und aus Gründen der Wirtschaftlichkeit sind gesetzlich Bewertungsvereinfachungsverfahren vorgesehen. Für gleichartige Vorräte sind Sammel- bzw. Gruppenbewertungen erlaubt, auf die ein Unternehmen im Rahmen eines Wahlrechts zurückgreifen kann:
Mit Hilfe dieser Verfahren werden die durchschnittlichen Anschaffungskosten ermittelt, die unter Anwendung des strengen Niederstwertprinzips für den Bilanzansatz zu verwenden sind.
Bei dieser Form der Sammel- bzw. Gruppenbewertung wird auf der Basis der Anschaffungskosten und Mengen der Zugänge ein gewogener Durchschnitt errechnet.
Beispiel: Einfache Durchschnittsbewertung von Holz (Eiche)
Die Möbelfabrik Wurm e. Kfm. möchte für den Rohstoff Holz (Eiche) eine einfache Durchschnittsbewertung zum 31.12. vornehmen. Die Inventurmenge zum Jahresabschluss beträgt 800 m³. Welcher Wert ist in der Bilanz anzusetzen?
Produkt: Holz, Eiche | Datum | Menge m³ | Anschaffungskosten je m³ | Gesamtwert |
---|---|---|---|---|
Anfangsbestand | 01.01. | 300 | 500 € | 150.000 € |
Zugänge | 23.01. | 400 | 600 € | 240.000 € |
Zugänge | 09.05. | 100 | 400 € | 40.000 € |
Zugänge | 12.11. | 800 | 900 € | 720.000 € |
∑ 1600 | gesucht: Ø AK | ∑ 1.150.000 € |
Lösung: Zur Ermittlung der durchschnittlichen Anschaffungskosten (Ø AK) sind die Anschaffungskosten gesamt durch die Anschaffungsmenge gesamt zu teilen:
Ø AK = | Gesamtwert |
Gesamtmenge |
Ø AK = | 1.150.000 € |
1600 m³ |
Ø AK = 718,75 €/m³ |
Gemäß der einfachen gewogenen Durchschnittsmethode betragen die durchschnittlichen Anschaffungskosten je m³ Holz 718,75 €.
Nach dem Handelsgesetzbuch darf dieser durch die einfache gewogene Durchschnittsermittlung errechnete Wert nicht ohne Prüfung und eventuelle Berücksichtigung des strengen Niederstwertprinzips in die Bilanz übernommen werden. Die ermittelten durchschnittlichen Anschaffungskosten müssen also noch mit den Tageswerten der Börse/des Marktes verglichen werden, um zu entscheiden, ob das strenge Niederstwertprinzip anzuwenden ist oder nicht.
In den Aufgaben sind immer zwei Tageswerte vorgegeben, mit denen die Anschaffungskosten verglichen werden sollen.
Fall 1: Tageswert größer als die Anschaffungskosten
Der Tageswert für 1 m³ Holz (Eiche) liegt bei 850 €.
Lösung: Da die Anschaffungskosten unterhalb des Tageswerts liegen, wird das Holz in der Bilanz zu den errechneten durchschnittlichen Anschaffungskosten bewertet. Das strenge Niederstwertprinzip kommt nicht zur Anwendung.
Rechnung:
Fall 2: Tageswert kleiner als die Anschaffungskosten
Der Tageswert für 1 m³ Holz (Eiche) liegt bei 600 €.
Lösung: Da der Tageswert geringer als die errechneten durchschnittlichen Anschaffungskosten ist, muss das Holz zum Tageswert bewertet werden. Das strenge Niederstwertprinzip kommt zur Anwendung.
Rechnung:
In diesem Fall müssten zum Bilanzstichtag 95.000 € außerplanmäßig abgeschrieben werden, da der Bilanzansatz geringer ist als die tatsächlichen Anschaffungskosten.
Viel Erfolg beim Üben.